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Selbstbeeinflussung führt zur Entspannung

Autogenes Training

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Körper und Geist entspannen mit der eigenen Vorstellungskraft.

Autogenes Training ist eine wissenschaftlich anerkannte Entspannungstechnik, die auf Autosuggestion basiert. Allein durch die Vorstellungskraft wird dabei nachweislich Einfluss auf das vegetative Nervensystem genommen.

 

Autogenes Training ist einfach zu erlernen und führt zu einer messbaren Entspannung der Muskeln.

Das Autogene Training zählt neben der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobson zu den bekanntesten und wissenschaftlich am besten erforschten Entspannungstechniken in den westlichen Ländern. Der Begriff Autogenes Training beschreibt bereits ein wenig, um was es bei dieser Entspannungstechnik geht. "Autogen" leitet sich aus dem Griechischen ab (autos = selbst und genos = erzeugen) und bedeutet soviel wie selbsterzeugt. Es geht also um Übungen zur Entspannung von innen heraus, um eine Art Selbsthypnose.

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So wirkt Autogenes Training

Dazu dienen autosuggestive Formeln wie "mein rechter Arm wird angenehm warm", die sich der Trainierende in Gedanken mehrfach vorsagt. Mit etwas Übung stellt sich tatsächlich eine angenehme Wärme ein. Denn die Konzentration auf die Formel mit der Vorstellung, dass der Arm warm wird, ermöglicht es, auf das vegetative Nervensystem Einfluss zu nehmen. Es steuert Vorgänge im Körper, die wir eigentlich nicht willentlich beeinflussen können, beispielsweise die Durchblutung. Durch die Konzentration auf die Vorstellung, dass sich der rechte Arm erwärmt, weiten sich die Blutgefäße, der rechte Arm wird besser durchblutet und fühlt sich warm an.

Entwickelt hat dieses Verfahren der Psychiater Johannes Heinrich Schultz. Er befasste sich eingehend mit Hypnose und Hypnotherapie. Hypnotisierte berichteten von angenehmen Wärme- und  Schweregefühlen, die Schulz auf eine verbesserte Durchblutung und die völlige Entspannung der Muskulatur zurückführte.

Einigen Teilnehmern der Hypnotherapie gelang es, aufgrund ihrer Erfahrungen unter Hypnose selbst einen hypnoseähnlichen Zustand herbeizuführen – mit positiven Effekten auf die Gesundheit: So ließen körperliche Beschwerden wie Kopfschmerz nach und ein Gefühl der Entspannung und Erfrischtheit stellte sich nach der Selbsthypnose ein.

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Entspannung ohne Beeinflussung von außen

Schultz suchte deshalb nach einem Verfahren, mit dem dieser Zustand der wohltuenden Entspannung ohne Beeinflussung von außen herbeigeführt werden kann, und entwickelte in den 1920er Jahren die "Autogenen Organübungen", wie er seine Entspannungstechnik anfänglich nannte. In seinem 1932 erschienenen Buch "Das Autogene Training. Konzentrative Selbstentspannung – Versuch einer klinisch-praktischen Darstellung" beschrieb er die Technik der Sebstbeeinflussung ausführlich.

Schultz unterscheidet beim Autogenen Training in eine Unter- beziehungsweise Grund- und Oberstufe. Die Grundstufe dient dazu, einen allgemeinen Entspannungszustand herbeizuführen, während in der Ober- beziehungsweise Fortgeschrittenenstufe basierend auf der Grundstufe meditative oder hypnotherapeutische Übungen einbezogen werden, die auf spezielle Problembereiche zugeschnitten sind und zu tieferen Einsichten führen sollen.

Während die Grundstufe des Autogenen Trainings auch selbst erlernt werden kann, stellt die Oberstufe des Autogenes Trainings ein psychotherapeutisches Verfahren dar. Es ist daher ratsam, diese nur nach Instruktion eines ausgebildeten und erfahrenen Psychotherapeuten anzuwenden.

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Körperliche Veränderungen durch Autogenes Training lassen sich messen.

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Weitere Entspannungstechniken

 

Die durch Autogenes Training erzielbaren körperlichen Veränderungen sind messbar. So lässt sich das Nachlassen der Muskelanspannung (Muskeltonus) während des Autogenen Trainings beispielsweise durch elektromyografische Untersuchungen (EMG) nachweisen. Dabei wird die elektrische Spannung im Muskel gemessen.

Messbar ist auch eine Erhöhung der Hauttemperatur, die, wie Schulz schon angenommen hatte, auf eine Erweiterung der peripheren Blutgefäße besonders der Haut zurückzuführen ist. Die Erweiterung dieser meist sehr kleinen Blutgefäße der Extremitäten wie Arme und Beine gilt als Zeichen für eine vermehrte Durchblutung und damit als Hinweis auf körperliche und geistige Entspannung.

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Ausgleichende Wirkung auf Atmung und Herzfrequenz

Außerdem kommt es während des Autogenen Trainings zu einer Verlangsamung der Atemfrequenz mit längeren Ein- und Ausatmungsphasen, wobei die Bauchatmung gegenüber der Brustatmung in den Vordergrund tritt. Es gibt zudem Studien, die auch eine Normalisierung beziehungsweise Verlangsamung der Herzfrequenz insbesondere bei Menschen mit Herzproblemen belegen.

In mehreren Studien bestätigten sich auch die psychologischen Auswirkungen des Autogenen Trainings. Dazu gehört bei regelmäßiger Anwendung zum Beispiel eine verminderte Nervosität beziehungsweise ein höheres Maß an Gelassenheit sowie ein verbessertes Körpergefühl. Allgemein nimmt das Wohlbefinden zu.

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Bewährtes Entspannungsverfahren mit breitem Anwendungsgebiet

Damit hat sich die Entspannungsmethode zur begleitenden Therapie vieler Erkrankungen und Störungen bewährt. In seiner Metaanalyse zur Wirksamkeit des Autogenen Trainings, für die der Psychologe Dr. Sirko Kupper 60 Studien analysierte, kommt er zu der Einschätzung, dass Autogenes Training einen mittelstarken positiven Effekt auf psychosomatische und einen großen Effekt auf psychische Störungen hat. Demzufolge ist das Autogene Training geeignet zur Behandlung von

 

Weitere mögliche Indikationen des Autogenen Trainings sind Darmerkrankungen, Neurodermitis, Glaukom und Geburtsvorbereitung, wobei Kupper hier einräumt, dass die Studienlage dünn ist und eingehendere Untersuchungen möglicherweise zu anderen Ergebnissen kommen.

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Verhaltensauffällige Kinder profitieren

Daneben hat das Autogene Training zusammen mit anderen Entspannungstechniken einen festen Platz in der Tinnitus-Therapie. Ein weiteres Anwendungsgebiet sind Verhaltensauffälligkeiten sowie psychosomatische Beschwerden von Kindern und Jugendlichen.

Hier kommen die Autoren einer Studie an der Universitätsklinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie in Ulm zu dem Ergebnis: "Autogenes Training ist eine wirksame und ökonomische Breitbandmethode zur Reduktion von Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen." Die Forscher geben aber ebenfalls zu bedenken, dass weitere Studien nötig seien, um genauere Informationen zur Wirksamkeit der Entspannungstechnik zu erhalten.

Natürlich können auch nicht verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche von den Übungen profitieren. Ihnen hilft die Entspannungstechnik beispielsweise, die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit zu verbessern, Prüfungsängste zu reduzieren und Aggressionen abzubauen.

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Burnout vorbeugen

Dass kleine Auszeiten und Entspannungsübungen vom Alltagsstress sich auch vorbeugend auszahlen, zeigt beispielsweise eine Studie zu Kursen in Yoga und Autogenem Training, die im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung beim Autobauer Daimler Chrysler angeboten wurden. Sowohl Yoga als auch Autogenes Training führten dabei im Verlauf eines 14 Wochen andauernden Kurses unter anderem zu einer deutlichen Verbesserung der Entspannungs- und Erholungsfähigkeit.

So gaben die Studienteilnehmer sowohl der Yoga-Gruppe als auch der Gruppe, die sich für Autogenes Training entschieden hatte, beispielsweise an, sich ausgeglichener und körperlich leistungsfähiger zu fühlen sowie besser schlafen zu können als vorher. Das Wohlbefinden stieg, Belastungen wurden nicht mehr so stark wahrgenommen, die Arbeitszufriedenheit stieg an.

Die positiven Effekte stellten sich bereits nach vier Wochen ein und verstärkten sich im Verlauf der Kurse. Damit leisten beide Entspannungstechniken einen wichtigen Beitrag beispielsweise zur Vorbeugung eines Burnout-Syndroms sowie anderer Erkrankungen, die im Zusammenhang mit permanentem Stress stehen.

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Für wen Autogenes Training ungeeignet ist

Es gibt jedoch auch Kontraindikationen für das Autogene Training. Nicht geeignet ist die Technik der Suggestion beispielsweise für Menschen mit Schizophrenie, da die Konzentration auf innere Abläufe Wahnvorstellungen hervorrufen kann. Das Hineinhorchen in sich selbst kann auch bei Hypochondern Angstzustände auslösen.

Problematisch sind Entspannungstechniken wie Autogenes Training, die eine Absenkung der Atem- und Herzfrequenz bewirken außerdem, wenn eine Atem- oder Herzfunktionsstörung vorliegt. Im schlimmsten Fall kann es dann zu Erstickungsangst und akuten Herzproblemen kommen.

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Autogenes Training ist leicht erlernbar

 

Ein Kurs kann den Einstieg in das Autogene Training erleichtern.

Sie wollen sich von den positiven Effekten des Autogenen Trainings selbst überzeugen? Viel brauchen Sie dazu nicht. Die Technik ist einfach zu erlernen – zum Beispiel in einem Kurs, der von vielen Krankenkassen angeboten oder gefördert wird. Gerade zu Beginn empfiehlt sich für Übende, in das Autogene Training unter Anleitung einzusteigen, da es unter Umständen schwer fällt, sich vollständig auf die körperliche Entspannung zu konzentrieren.

Kurse werden auch von Heilpraktikern, Psychologen, Psychotherapeuten, Gesundheitszentren, Volkshochschulen und privaten Institutionen in Einzel- und Gruppensitzungen angeboten. Bei vielen Kursleitern ist eine Schnupperstunde möglich, mit der Sie herausfinden können, ob Autogenes Training die richtige Entspannungstechnik für Sie ist.

Sie können Autogenes Training aber auch über einen Tonträger mit einer Anleitung lernen oder mit einer App für Smartphone oder Tablet-PC. Die Grundübungen sind nach kurzer Zeit gelernt, Sie benötigen dann keine Anleitung von außen mehr.

Zu Beginn ist eine bequeme Liegeposition, beispielsweise auf dem Bett oder einer Matte, zu empfehlen. Geübtere können sich auch in einer entspannten Sitzposition in den gewünschten Ruhezustand versetzen. Nehmen Sie sich etwa 15 Minuten Zeit und sorgen Sie dafür, dass Sie ungestört sind.

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Am Anfang erst mal zur Ruhe kommen

Das Autogene Training läuft immer nach dem gleichen Schema ab. Begonnen wird mit einer einleitenden Ruhetönung. Um besser zu entspannen, können Sie sich auf eine Art Traumreise begeben, indem Sie sich gedanklich an einen Ort versetzen, an dem Sie sich wohl fühlen. Das kann zum Beispiel ein Strand oder eine grüne Wiese sein. Hilfsmittel wie leise Musik, Wärmekissen oder auch eine Duftlampe mit ätherischen Ölen können das zur Ruhe kommen erleichtern.

Anschließend folgen Grundübungen, Wärmeübungen und Schwereübungen für unterschiedliche Körperregionen. Starten Sie, indem Sie sich beispielsweise den Satz "Ich bin ganz ruhig und entspannt" gedanklich vorsagen. Danach beginnen Sie mit den Übungen, die nach Schultz, dem Erfinder des Autogenen Trainings, nicht länger als vier Minuten andauern sollten. Erlernen Sie zunächst die Übung zur Muskelentspannung. Erst wenn sich der erwünschte Effekt einstellt, können Sie die nächste Übung dazunehmen. Die erlernte Übung wird jeweils mit einem Merksatz verkürzt, im Falle der Muskelentspannung beispielsweise mit "Alle meine Glieder sind angenehm schwer".

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Übungen Autogenes Training (Unterstufe)

  • Muskelentspannung (Schwereübung): Stellen Sie sich vor, wie sich Ihre Körperglieder entspannen, bis sie sich angenehm schwer anfühlen. Beginnen Sie mit einem Arm, in dem Sie beispielsweise den Satz denken: "Mein rechter Arm wird angenehm schwer". Dies wiederholen Sie anfangs bis zu sechsmal, bevor Sie sich dann auf den anderen Arm, auf beide Arme, die Beine und schließlich alle Glieder konzentrieren: "Alle meine Glieder sind angenehm schwer."

  • Gefäßentspannung (Wärmeübung): Sobald sich Ihr Körper angenehm schwer anfühlt, lassen Sie eine wohlige Wärme durch Ihren gesamten Körper fließen. Fangen Sie nach dem Muster der Schwere-Übung wieder mit einem Arm an ("Angenehme Wärme strömt durch meinen rechten Arm") und arbeiten Sie sich über den anderen Arm, beide Arme und die Beine schließlich zu allen Gliedmaßen vor: "Angenehme Wärme durchströmt all meine Glieder."

  • Herzregulierung: Der nächste Schritt beim Autogenen Training ist das Herz. Stellen Sie sich vor, wie Ihr Herzschlag langsamer und ruhiger wird: "Mein Herz schlägt ruhig und regelmäßig."

  • Atembübung: Jetzt konzentrieren Sie sich auf Ihre Atmung, indem Sie beispielsweise denken: "Mein Atem geht ruhig und gleichmäßig" oder "Jeder Atemzug vertieft die Ruhe". Beobachten Sie, wie sich Ihre Atmung dadurch verändert. Versuchen Sie, die Kontrolle über den Atem loszulassen und die Entspannung Ihres gesamten Körpers auf sich wirken zu lassen.

  • Bauchorgane (warmer Bauch): Bündeln Sie nun die Wärme des Körpers in Ihrem Bauch: "Wärme strömt durch meinen Bauch."  oder "Mein Sonnengeflecht ist warm." Spüren Sie nach, wie sich Ihr Bauch entspannt und ganz weich wird.

  • Kopfgebiet (kühle Stirn, Stirnübung): Abschließend konzentrieren Sie sich auf Ihre Stirn, zum Beispiel mit dem Satz: "Meine Stirn ist angenehm kühl". Das sorgt für einen klaren Kopf, während Ihre Gliedmaßen und Muskeln gut durchblutet, entspannt und warm sind.

 

Verkürzte Formel für Geübte

Autogenes Training sollten Übende täglich anwenden. Mit der Zeit stellen sich die gewünschten Effekte und eine Tiefenentspanung immer schneller ein. Nach einigen Monaten können die Übungen der Grundstufe zusammengefasst werden, beispielsweise mit folgenden Formeln: „Alle meine Glieder sind angenehm schwer und warm, mein Herzschlag und meine Atmung sind ruhig und gleichmäßig, mein Körper ist angenehm warm, meine Stirn kühl."

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Autogenes Training endet mit bewusstem Aufwachen

Das Autogene Training schließt immer mit der Rücknahme, dem bewussten Aufwachen, es sei denn, Sie nutzen die Technik zum Einschlafen. Zur Rücknahme können Sie die Arme mehrmals mit geballten Fäusten zur Brust ziehen und wieder strecken. Atmen Sie dabei tief durch und öffnen Sie die Augen. Eine passende Formel zur Rücknahme nach dem Autogenen Training ist beispielsweise "Ich atme tief durch und öffne die Augen". Anschließend können Sie sich ausgiebig räkeln und langsam aufstehen.

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